Jackie Weiss im Formel Gloria

Jackie Weiss hat ein klares Ziel: Sie will Formel 1-Piloten werden. Und ist auf dem Weg in ein knallhartes Geschäft.

» Man würde ja gern verstehen, wie das alles angefangen hat mit Jackie und den Autorennen, aber bei diesem Tempo fällt das Mithalten wirklich schwer. Wie bist Du zum Rennsport gekommen, Jackie? “Mit 13 saß ich in Las Vegas zum ersten Mal in einem Kart, von da an hat es mich nicht mehr losgelassen.” Warum denn ausgerechnet Las Vegas? “Das Klima war dort besser, in Florida war es uns zu feucht.” Aber warum ausgerechnet Florida? “Vorher lebten wir in Spanien, da hat es meine Eltern in die USA gezogen, einfach so.”

Man braucht ein paar Minuten, um sich in dieses sprunghafte Leben hineinzudenken. Es ist ein atemloses Interview. Jackie freut sich über die Fragen, beantwortet sie lang. Das könnte ewig so weitergehen. Frage, Antwort, Frage, Antwort. Sie hätte das alles auch anders erzählen können. Ernster und langsamer, womöglich: deutscher. Sie hätte sagen können, dass es nicht einfach ist, als halbe Amerikanerin in ein hessisches Kuhkaff zu ziehen, mit so einem Berufsziel. Oder dass es sich nicht immer leicht anfühlt zu wissen, dass ihretwegen die ganze Familie nach Deutschland zurückgekehrt ist. Aber sie sagt solche Dinge nicht. Es ist, als ob sie nur ihren Traum im Kopf hat: diesen einen, den sie träumt, seitdem sie ein kleines Mädchen ist.

Jackie Weiss, 17 Jahre alt, geboren in Heilbronn und aufgewachsen in Valencia, Florida und Las Vegas, will Rennfahrerin werden. Es ist nicht der leichteste Weg, den sie sich da ausgwählt hat. Frauen im Rennanzug sind im großen und lauten Formel-1-Zirkus noch immer Exotinnen. Wenn sie dort auftauchen, dann bislang nur am Rand der Rennstrecken, zum Schildchenhalten bei der Startaufstellung. Oder an der Seite ihrer Männer. Fünf Rennfahrerinnen haben es bislang in die Formel 1 geschafft. Nur fünf Prozent der Fahrerlizenzen im Deutschen Motor Sport Bund sind in Frauenhand. Wer es in dieser Welt schafft, muss Mut mitbringen – und eine ganze Menge Geld. In keiner anderen Sportart ist man so sehr auf finanzkräftige Gönner angewiesen wie hier. Es gilt, sich selbst zur Marke zu machen. Jackie Weiss lässt sich davon nicht beeindrucken. Wer bremst, verliert, und wer ein Manöver vortäuscht, hat noch lange nicht das Rennen gewonnen.

“Natürlich habe ich mit Puppen gespielt.
Ich bin ein ganz normales Mädchen.
Nur eines, das gern sehr schnell fährt.”

Man könnte denken, dass allein ihre Geschichte ausreicht, um eine attraktive Werbepartnerin zu sein. Wie Jackie mit 13 Jahren zum ersten Mal in einem Kart sitzt und nicht mehr aussteigen will. Wie der Kartlehrer in Las Vegas ihr einen giftgrünen, viel  zu großen Rennanzug schenkt. Wie aus dem Mädchen Jacqueline Francoise Weiss die Piloten “Jackie” wurde. Und wie sie ihre ersten richtigen Auto-Rennen in Amerika fährt, als einziger Teenager unter lauter erwachsenen Männern. Es ist eine typische Rennfahrer-Karriere, die Jackie bisher durchlaufen hat, auch Formel-1-Stars wie Ayrton Senna oder Michael Schumacher begannen ihre Laufbahn im Kart. “Ich werde oft gefragt, ob ich als Kind nie mit Puppen gespielt habe”, sagt Jackie. “Natürlich habe ich das. Ich bin ein ganz normales Mädchen. Nur halt eines, das gern sehr schnell fährt.”

Auf der Suche nach einem Sponsor ist Jackie bislang allerdings nicht sehr glücklich gewesen. Das Wiener Verlagshaus, das ihr im vergangenen Jahr seine Unterstützung zugesagt hatte, sprang wieder ab. Ohne einen Grund zu nennen. Ein harter Schlag für die junge Karriere, denn mit einem starken Partner an der Seite hätte Jackie in der letzten Saison sogar in der Formel BMW Deutschland starten können, einer weltweit angesehenen Rennserie, in der auch die deutschen Piloten Nico Rosberg und Sebastian Vettel fuhren, bevor sie den Sprung in die Formel 1 schafften.

Die ist auch Jackies Fernziel, doch in dieser Saison muss sie sich mit dem BMW Talent Cup begnügen, eine Stufe tiefer. “Ganz ehrlich, ich hätte nicht gedacht, dass die Sponsorensuche in Deutschland so schwierig ist”, sagt sie. “Aber bei mir vermutet man halt doch, dass ich mit Anfang 20 schwanger werde und eine Familie gründe, und dann hätte man natürlich umsonst in mich investiert.” Jackie Weiss sagt das nicht vorwurfsvoll. Nur einfach wie jemand, der langsam begreift.

Hinter der Zurückhaltung der Investoren steht noch ein anderer Grund: Jackie steht ganz am Anfang ihrer Karriere, von der man nicht weiss, wie sie verlaufen wird. “Sponsoren möchten ihre Botschaften transportieren und ihre Produkte mit bestimmten Eigenschaften verknüpfen”, sagt Sabine Kehm, langjährige Medienberaterin von Michael Schumacher. “Wenn die Kameras auf Jackie Weiss gerichtet sind, hat das wohl eher damit zu tun, dass die Medien sie als ungewöhnliches Motiv sehen. Das allein reicht aber nicht.”

Etwa 100.000 Euro muss Jackie pro Saison für ihren grossen Traum aufbringen. Es ist eine Chance und gleichzeitig ein Risiko, auf das Exotendasein zu bauen. Wer auf dem schmalen Grat wandert, muss eine gute Balance haben. Die amerikanische Rennfahrerin Danica Patrick, 26, hat sie. Seitdem sie vergangenen April als erste Frau ein Rennen der amerikanischen Rennserie IRL gewonnen hat, belächelt sie in den USA keiner mehr. Anfangs sah das nicht so aus. Als Danica Patrick vor drei Jahren das älteste Rundstreckenrennen der Welt, die 500 Meilen von Indianapolis, anführte, fiel sie wenige Runden vor dem Ziel auf Platz vier zurück – ihr war das Benzin ausgegangen. Viele Sportjournalisten hielten das für eine sehr erzählenswerte Anekdote.

Auch in den Fernsehbeiträgen, die Jackie Weiss auf ihre Homepage gestellt hat, wird gern mit dem Frauen-und-Auto-Klischee gespielt. “Frau am Steuer, Ungeheuer”, sagt eine Moderatorin, will dabei ironisch klingen und lacht hilflos in die Kamera. Eine vielsagende Szene. Jackie Weiss nimmt das Spiel mit den Rollen erst gar nicht an. Die plumpen Sprüche übergeht sie. Mit ihrer amerikanischen Coolness steht sie ohnehin über den Dingen. ¦

→ Der Artikel wurde von Iris Hellmuth, Redakteurin der EXISTENZIELLE, geschrieben und in der Ausgabe Nr.3/2008 veröffentlicht.